Bertelsmann Stiftung
KOMPIK: Kompetenzen und Interessen von Kindern

Motivation in der Kita

Kindertageseinrichtungen werden kindlichen Grundbedürfnissen wie Neugier und dem Drang, Neues auszuprobieren, dadurch gerecht, dass sie Kinder mit neuen Aufgaben und Herausforderungen konfrontieren. Dabei ist es wichtig, die Anforderungen optimal auf den individuellen Entwicklungsstand und das Können der einzelnen Kinder abzustimmen. Pädagogische Impulse und eine anregende Lernumgebung in der Einrichtung wecken die kindliche Neugier. Fachkräfte greifen Interessen von Kindern auf, unterstützen sie bei ihren Lernprozessen und bei der Entwicklung ihrer individuellen Fähigkeiten und Interessen. Nach Bowlby (2010) erkunden Kinder vor allem dann, wenn ihr grundlegendes Bedürfnis nach Bindung und Sicherheit befriedigt ist. Aus diesem Grund ist eine gute Beziehung zu den pädagogischen Fachkräften zentral dafür, dass die Mädchen und Jungen in den Kitas offen auf Neues zugehen (Ahnert 2004; Becker-Stoll & Textor 2007; Mayr 2010).

Wissenschaftlicher Hintergrund

Was bringt uns dazu, eine Tätigkeit aufzunehmen? Warum unternehmen wir etwas? Was hilft uns, bei einer Aufgabe durchzuhalten und sie zum Abschluss zu bringen? „Motivation“ bezieht sich auf die Ausrichtung kindlichen Verhaltens auf bestimmte Ziele. Die Motivationsforschung untersucht, welche Faktoren hier eine Rolle spielen und zeigt, wie sich Motive auf unser Erleben und Handeln auswirken (Thomae 1983; Rheinberg 2006). In der Pädagogik viel diskutiert ist die Unterscheidung zwischen „intrinsischer“ Motivation – eine Handlung wird um ihrer selbst willen durchgeführt – und „extrinsischer“ Motivation – eine Handlung wird vor allem in Bezug auf äußere Konsequenzen, z.B. Belohnung oder Bestrafung, durchgeführt (Schiefele und Köller 2006).

Motiviert von Anfang an

Ein spezieller Zweig der Motivationsforschung befasst sich damit, wie sich Motivationen bei Kindern entwickeln (vgl. z.B. Holodynski & Oerter 2002) und welche Motivationen wichtig sind für Wissenserwerb und Lernen (Schiefele & Schaffner 2006). Aus dieser Forschung wissen wir: Kinder sind von Natur aus motiviert, die eigenen Grenzen zu erkunden. Sie möchten herausfinden, was sie bereits selber können und was sie noch lernen wollen. Deshalb suchen sie von sich aus Tätigkeiten und Aufgaben, die ihre Fähigkeiten herausfordern, und setzen sich dabei immer wieder neue Ziele (McClelland et al. 1953; Nicholls 1984). Auf diese Weise erweitern Kinder ihren Horizont Schritt für Schritt und erleben sich als selbstbestimmte, kompetente Personen, die ihre Umgebung aktiv beeinflussen (vgl. z.B. Prenzel et al. 2000). Kinder lernen zunehmend: Manche Ziele können nur erreicht werden, wenn man sorgfältig arbeitet, sich anstrengt und durchhält. Ziele zu erreichen erfordert manchmal, aktuelle Bedürfnisse und Wünsche kurzzeitig zurückzustellen (vgl. z.B. Holodynski & Oerter 2002). Diese Fähigkeit des Kindes, sich auf emotionaler und kognitiver Ebene entsprechend selbst zu regulieren, ist auch mit Blick auf den Übertritt in die Schule enorm wichtig (vgl. z.B. Blair 2002). Bronson (2000, 198 ff.) gibt konkreter Hinweise, wie Erwachsene den Kindern bei der Entwicklung solcher Kompetenzen helfen können, etwa indem sie sie zum selbstständigen Lösen von Problemen ermutigen oder vor Störungen und Ablenkungen schützen (Mayr und Ulich 2006, 15 f.).

Motivation bei KOMPIK

KOMPIK sieht „motivationale Kompetenz“ in Anlehnung an Rheinberg (2002) als Fähigkeit, eigene Bedürfnisse und äußere Anforderungen so aufeinander abzustimmen, dass bestimmte Ziele erreicht werden können. Diese Ziele können vom Kind selbst oder von einer anderen Person gesetzt werden. Die entsprechenden Beobachtungsfragen nehmen Bezug auf die beiden oben beschriebenen Teilbereiche, weil diese für Lern- und Bildungsprozesse in der Kindertageseinrichtung besonders wichtig sind.

  • Exploration: Im Teilbereich Exploration wird gefragt, wie ein Kind mit neuen und unbekannten Dingen und Situationen umgeht, wie es auf Neues, nicht Vertrautes zugeht und sich neue Erfahrungen erschließt (Mayr & Ulich 2003): Ist es wissbegierig und interessiert? Erkundet es selbstständig? Traut es sich auch Dinge zu, die nicht sicher gelingen? Neugierde und Erkunden sind sicher ein angeborenes Grundbedürfnis aller Kinder (Berlyne 1974; Neidhart-Wilberg 2006); die einzelnen Kinder unterscheiden sich aber teilweise deutlich in ihrem Erkundungsverhalten: Manche wagen sich optimistisch an neue Aufgaben heran, andere sind eher zögerlich und brauchen viel Anregung und Unterstützung von außen.
  • Aufgabenorientierung: Bei Aufgabenorientierung geht es um Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für die Bewältigung von Aufgaben notwendig sind. Wichtig ist hier, dass ein Kind sich selbst organisieren kann, sich nicht ablenken lässt, dass es geplant und zielgerichtet vorgehen kann (Mayr & Ulich 2003, 174 ff.). Aufgaben können sowohl von der pädagogischen Fachkraft vorgegeben als auch vom Kind frei gewählt werden. Wichtige Elemente sind hier Konzentration, Anstrengung, Durchhaltevermögen, Sorgfältigkeit und Selbstständigkeit. Eine gute Aufgabenorientierung im frühen Kindesalter ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Kind gut mit späteren schulischen Anforderungen zurechtkommt (vgl. z.B. Mayr 2000; Mobley & Pullis 1991).
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Ansprechpartner

Literatur

Ahnert, L. (2004). Bindungsbeziehungen außerhalb der Familie: Tagesbetreuung und Erzieherinnen-Kind-Bindung. In L. Ahnert (Hrsg.). Frühe Bindung. Entstehung und Entwicklung. München: Reinhardt. 256-277.

Becker-Stoll, F., & Textor, M. R. (2007). Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Zentrum von Bildung und Erziehung. Mannheim: Cornelsen Scriptor.

Berlyne, D. E. (1974). Konflikt, Erregung, Neugier. Zur Psychologie der kognitiven Motivation. Stuttgart: Klett.

Blair, C. (2002). Integrating cognition and emotion in a neurobiological conceptualisation of children´s functioning at school entry. In: American Psychologist, 57, 111-127.

Bowlby, J. (2010). Bindung als sichere Basis: Grundlagen und Anwendung der Bindungstheorie. München: Reinhardt.

Bronson, M. (2000). Self-regulation in early childhood. New York: Guilford Press Holodynski, M., & Oerter, R. (2002). Motivation, Emotion und Handlungsregulation. In: R. Oerter & L. Montada (Hrsg.). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz. 551- 589.

Mayr, T. (2000). „Beobachtungsbogen für Kinder in Vorschulalter" (BBK) – ein Vorschlag zur Skalenbildung. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 47, 281- 295.

Mayr, T. (2010). Zur Erfassung von Erzieherin-Kind-Beziehungen – Ergebnisse einer empirischen Studie. Zur Veröffentlichung eingereichte Arbeit.

Mayr, T., & Ulich, M. (2003). Die Engagiertheit von Kindern. Zur systematischen Reflexion von Bildungsprozessen in Kindertageseinrichtungen. In: W. E. Fthenakis (Hrsg.). Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg: Herder.

Mayr, T., & Ulich, M. (2006). PERIK – Positive Entwicklung und Resilienz im Kindergartenalltag (Begleitheft). Freiburg: Herder.

McClelland, D. C., Atkinson, J. W., Clark, R. A., & Lowell, E. L. (1953). The achievement motive. New York: Appleton-Century-crofts.

Mobley, C. E., & Pullis, M. E. (1991). Temperament and behavioral adjustment in preeschool children. In: Early Childhood Research Quarterly, 6, 577-586.

Neidhardt-Wilberg, S. (2006). Neugier. In: D. H. Rost (Hrsg.). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz. 531-535.

Nicholls, J. G. (1984). Achievements Motivation: Conceptions of ability, subjectiv experience, task choice and performance. In: Psychological Review, 91, 328-346.

Prenzel, M., Drechsel, B., Kliewe, A., Kramer, K., & Röber, N. (2000). Lernmotivation in der Aus- und Weiterbildung: Merkmale und Bedingungen. In: C. Harteis, H. Heid & S. Kraft (Hrsg.). Kompendium Weiterbildung. Aspekte und Perspektiven betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung. Opladen: Leske+Budrich. 163-173.

Rheinberg, F. (2002). Freude am Kompetenzerwerb, Flow-Erleben und motivpassende Ziele. In: M. von Salisch (Hrsg.). Emotionale Kompetenzen entwickeln. Grundlagen in Kindheit und Jugend. Stuttgart: Kohlhammer.

Rheinberg, F. (2006). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.

Schiefele, U., & Köller, O. (2006). Intrinsische und extrinsische Motivation. In: D. H. Rost (Hrsg.). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz. 303- 310.

Schiefele, U., & Schaffner, E. (2006). Wissenserwerb und Motivation. In: D. H. Rost (Hrsg.). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz. 866-872.

Thomae, H. (1983). Spezielle Motivationssysteme. In: H. Thomae (Hrsg.). Enzyklopädie der Psychologie, Band 2, Psychologie der Motive. Göttingen: Hogrefe.

 
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